Sachverständigengutachten

In diesem Zusammenhang sei auch darauf zu verweisen, dass ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden könne; ein solches sei allerdings nicht vorgelegt worden. [aus LVwG-650317 vom 16.06.2015]

Die Behörde hat – im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes – ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Auch haben die Parteien die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. zu allem VwGH vom 26.02.2016, Ro 2014/03/0004, mwN).

Sachverständigengutachten sind wie jedes andere Beweismittel der freien Beweiswürdigung zugänglich. Die Beweiswürdigung unterliegt insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen(vgl. VwGH vom 14.12.2004, 2004/05/0016).

Die bloße Behauptung, ein weiteres Gutachten werde beweisen, dass das erstattete Gutachten eines Amtssachverständigen nicht aufrecht zu erhalten sei, kann nicht als hinreichende Begründung für die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens angesehen werden. (vgl. VwGH vom 19.06.1996, 95/01/0233).

Amtssachverständige sind zwar grundsätzlich gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden. Allein darin kann aber kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein der Befangenheit gesehen werden. Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofs sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden, weil Gutachten den sie erstellenden (Amts-)Sachverständigen persönlich zurechenbar sind (vgl. VfGH 22.06.2002, VfSlg 16567/2002, VwGH vom 03.08.2016, Ro 2016/07/0008).

Die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt also ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab und unterliegt daher auch etwa nicht der Disposition der Parteien (VwGH vom 20.03.1996, 95/03/0235).

Der Amtssachverständige kann vor dem Hintergrund seines eigenen Fachwissens alle auf seinem Fachgebiet vorgelegten Beweise auch in sein Gutachten einbeziehen. Er kann seinem Gutachten auch Unterlagen zu Grunde legen, die nicht von ihm erarbeitet wurden. Es ist nicht unzulässig, wenn ein Amtssachverständiger – nach Überprüfung mit Hilfe seines Fachwissens und vor dem Hintergrund seiner Obliegenheit zur Objektivität und Wahrheitspflicht – Aussagen in einem Privatgutachten als zutreffend wertet und sie in sein Gutachten integriert (VwGH 21.09.2007, 2005/05/0087). Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige durfte daher die von der Antragstellerin ihrem Projekt zu Grunde gelegten Berechnungen von nichtamtlichen Sachverständigen zur Grundlage seines Gutachtens machen (VwGH 04.03.2008, 2006/05/0233).

Verbotsirrtum

Entschuldigend wirken dabei nach ständiger Rechtsprechung nur das Vertrauen auf die einschlägige und einhellige höchstgerichtliche Judikatur zum Tatzeitpunkt (VwGH 22.03.1994, 93/08/0177), von der zuständigen Behörde selbst erteilte Auskünfte über ihre Verwaltungspraxis (VwSlg 14.020 A/1994) bzw. eine tatsächlich bestehende „ständige Verwaltungsübung“ (VwGH 22.03.1994, 93/08/0177) sowie Rechtsauskünfte auf Grundlage einer vollständigen Sachverhaltsmitteilung, wenn sie von einer fachkompetenten Stelle/Person stammen und bestimmte wesentliche Kriterien erfüllen. Entschuldigend wirkt hiebei eine Rechtsauskunft der zuständigen Behörde (VwGH 4.10.2012, 2012/09/0134, 18. 9. 2008, 2008/09/0187), einer anderer fachkompetenter Institutionen, z.B. der gesetzlichen beruflichen Vertretungen (z.B. VwGH 16.11.1993, 93/07/0022, 0023), der Gebietskrankenkasse (VwSlg 14.020 A/1994) oder auch des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (VwSlg 13.257 A/1990) bzw. in sehr eingeschränktem Ausmaß die Rechtsauskunft berufsmäßiger Parteienvertreter (z.B. von Rechtsanwälten). Diese muss sich jedenfalls an der maßgeblichen Rechtsprechung der Höchstgerichte und gegebenenfalls an der Rechtsmeinung der zuständigen Behörde (VwSlg 11.744 A/1985) orientieren. Das Vertrauen auf die (falsche) Rechtsauskunft ist dem Auskunftssuchenden insbesondere dann vorwerfbar, wenn dem Beschuldigten das Spannungsverhältnis zur gegenteiligen Behördenauffassung bekannt ist oder sich unmittelbar aus dem Inhalt der Auskunft auch für den Nicht-Fachmann ersichtliche Zweifel ergeben (VwGH 22.02.2006, 2005/17/0195); (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 5 Rz 21 (Stand 1.7.2013, rdb.at).

Kostenentscheidung im Strafverfahren

Zur Beurteilung, ob bezüglich der Auferlegung von Verfahrenskosten des Landesverwaltungsgerichts einer Beschwerde gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG (teilweise) Folge gegeben wurde, kann die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 65 VStG vor seiner vor seiner Aufhebung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl Nr 33/2013, herangezogen werden, wonach dies – auch im Fall mehrerer in einem Straferkenntnis zusammengefasster Tatvorwürfe – immer auf den einzelnen Tatvorwurf zu beziehen ist (vgl. VwGH vom 29.05.1998, 97/02/0475, und Wessely in Raschauer/Wessely, VStG, § 65 Rz 1).

Kosten der juristischen Person
Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand. Der Verwaltungsgerichthof vertritt die Rechtsauffassung, dass die juristische Person als Haftungspflichtiger voll in jenes Verfahren einzubinden ist, in welchem die Grundlage und der Umfang seiner Haftung ermittelt und festgesetzt wird. Ebenso stehen ihr dort alle Parteirechte einschließlich des Beschwerderechtes zu (vgl. VwgH vom 21.11.2000, Zl. 99/09/0002).

Nunmehr hat sich der VwGH im Sinne der Notwendigkeit eines ausdrücklichen bescheidmäßigen Haftungsausspruchs festgelegt. Unterbleibt ein solcher eigener – einer Exekution zugänglicher und entsprechend spezifizierter – Ausspruch, fehlt es überhaupt schon an einem Eingriff in die Rechtssphäre des gemäß § 9 Abs. 7 VStG (bloß potenziell) Haftpflichtigen (vgl. VwGH vom 25.1.2013, 2010/09/0168).

Strafrechtlich Verantwortlicher

Gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss nämlich in der Tatumschreibung gemäß § 44 a lit a VStG 1950 zum Ausdruck kommen, ob ein bestimmter Beschuldigter die Tat in eigener Verantwortung oder als der für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich Verantwortliche begangen hat (vgl. VwGH vom 16.01.1987, 86/18/0073 und 86/18/0077, Slg. Nr. 12.375/A = ZfVB 1987/5/2254). Diese Rechtsauffassung hat auch durch das Erkenntnis eines weiteren verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/18/0008, wonach die Zitierung des § 9 VStG im Spruch des Straferkenntnisses unter dem Gesichtspunkt des § 44 a lit b VStG 1950 (Bezeichnung der „verletzten Verwaltungsvorschrift“) nicht gefordert ist, keine Änderung erfahren. Zu den Elementen einer entsprechenden Tatbezeichnung im Sinne des § 44 a lit. a VStG 1950 gehört auch der Umstand, dass der Beschuldigte nicht als unmittelbarer Täter, sondern als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft wird, worunter auch die eindeutige Anführung der Art der Organfunktion (handelsrechtlicher oder gewerberechtlicher Geschäftsführer) verstanden werden muss (vgl. VwGH vom 14.10.1983, Slg. N.F. Nr. 11.187/A = ZfVB 1984/3/997, und vom 15.09.1987, Zl. 87/04/0041).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist es nicht rechtswidrig, wenn die Berufungsbehörde das Verhalten des Beschuldigten einem anderen Tatbestand (Tatbild) unterstellt als die erste Instanz, sofern es sich um ein und dasselbe Verhalten des Täters handelt, also Identität der Tat vorliegt. Es findet allein durch die Aufrechterhaltung des Schuldspruches des erstbehördlichen Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde mit der Maßgabe, dass dem Beschuldigten die Straftat nicht für seine Person, sondern als Organ einer juristischen Person zuzurechnen sei, eine Auswechslung oder eine Überschreitung der „Sache“ nicht statt. Dasselbe gilt für den Fall, dass dem Beschuldigten die ihm zur Last gelegten Übertretungen nicht in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, sondern als Inhaber einer Einzelfirma zugerechnet werden können. Der § 9 VStG legt zwar fest, wer unter bestimmten Voraussetzungen als strafrechtlich Verantwortlicher anzusehen ist, er normiert jedoch nicht etwa ein zusätzliches, zum Tatbild der jeweiligen Strafnorm hinzutretendes Tatbestandselement, das mit der Änderung des Rechtsgrundes der Heranziehung zur strafrechtlichen Haftung gleichfalls eine Änderung erführe (vgl. VwGH vom 29.04.2009, 2009/02/0090, mwN.).

Es ist nicht erforderlich, in der Verfolgungshandlung der von Anfang an als Beschuldigten angesprochenen Person auch vorzuwerfen, die Tat als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 VStG verantworten zu müssen (vgl. VwGH vom 28.02.2012, 2011/09/0137).

Bezüglich Kosten der juristischen Person siehe Kostenentscheidung im Strafverfahren.

Strafnorm

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (vgl. VwGH vom 31.07.2014, Ro 2014/02/0099).

Zurückziehung eines Antrags

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Entscheidend für die Zulässigkeit der Zurückziehung ist allein, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann. Mit der Erlassung eines Bescheids und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag als erledigt anzusehen. Nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheids dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine -zulässige und fristgerechte -Berufung erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Berufungsantrag offen. Beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheids zurückgezogen werden (VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099).

Eine rechtzeitige Zurückziehung eines Antrages bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht sowie bei antragsbedürftigen Bescheiden auch der Entscheidungskompetenz der Behörde, sodass über den Antrag nicht mehr abgesprochen werden darf (VwGH 23.07.2009, 2008/05/0241).

Spruch im Straferkenntnis

Gemäß § 44a VStG ist die als erwiesen angenommene Tat der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat in diesem Sinne das Recht, dass ihm die Tat richtig und vollständig vorgehalten wird (VwGH 8.8.2008, 2008/09/0042). Die Umschreibung dieser Tat hat bereits im Spruch zu erfolgen und muss so präzise sein, dass der Bf nicht der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt ist und er sich entsprechend verteidigen kann (statt vieler VfSlg 11.894 A/1985). Die Tat muss somit alle Tatbestandselemente umfassen und darf keinen Zweifel daran lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23.4.2008, 2005/03/0243). Ungenauigkeiten haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden (VwSlg 15.745 A/2001).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuord­nung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl. mwN. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

Das Nachschärfen der Umschreibung der Tat ist vor dem Hintergrund des Schutzzweckes des § 44a VStG begrenzt und darf die Tat einerseits nicht ausgetauscht werden (zB VwGH 27.2.2015, 2011/17/0131) und ist andererseits ein Ergänzen bzw. Nachschärfen der Tat nur im Rahmen der Verfolgungsverjährung zulässig (zB VwGH 10.12.2008, 2004/17/0226).

Eine Befugnis des VwG zur Ausdehnung des Gegenstandes des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 hinaus, wurde durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 nicht geschaffen (vgl. VwGH vom 5.11.2014, Ra 2014/09/0018, mwN zur Rechtslage vor Schaffung der VwG; der VwGH hat darin festgehalten, es sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zum Berufungsverfahren in Verwaltungsstrafsachen abzugehen wäre). So würde etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraums erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem VwG eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Beschwerdeverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 darstellen (vgl. VwGH vom 16.03.2016, Ro 2014/04/0072). Nichts anderes kann im Hinblick auf die Ausdehnung der Tathandlung (Tatbestandselemente) selbst gelten.

Besteht ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, bei dem es sich nicht bloß um eine terminologische Abweichung, deren Wirkung sich im sprachlichen erschöpft, handelt, sondern bei dem die Wahl unterschiedlicher Begriffe vielmehr eine Unterschiedlichkeit in der rechtlichen Wertung durch Subsumtion unter je ein anderes Tatbild zum Ausdruck bringt, führt dies zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides (vgl. VwgH vom 27.05.2011, 2010/02/0231).

Öffentliche Ordnung

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbild der „Ordnungsstörung“ durch zwei Elemente gekennzeichnet: Zum ersten muß der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zum zweiten muß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein (vgl. VwGH vom 25.11.1991, 91/10/0207).

Zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes bedarf es sohin eines besonders rücksichtslosen Verhaltens einer Person, das zu einer ungerechtfertigten Störung der öffentlichen Ordnung auch tatsächlich führen muss. § 81 Abs. 1 SPG stellt sohin ein Erfolgsdelikt dar. Das Tatbild setzt in diesem Sinne voraus, dass zu einer bestimmten Tathandlung (= besonders rücksichtsloses Verhalten einer Person) ein kausal herbeigeführter Erfolg (= Störung der öffentlichen Ordnung) eintritt (verhaltensgebundenes Erfolgsverursachungsdelikt; Hauer/Keplinger, SPG § 81 Anm. 1 mwN); maW: die Öffentliche Ordnung muss tatsächlich gestört werden. Dies ist bspw der Fall, wenn Personen wegen der Tathandlung warten müssen (VwGH 26.4.1993, 92/10/0130) oder wenn Personen, die zu einem Konzert Einlass suchen, abgedrängt werden (VfSlg 9860/1983).

Nach der Rechtsprechung ist die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss (VfSlg 8145/1977). Eine Störung der öffentlichen Ordnung ist jedenfalls gegeben, wenn es zu einem Aufsehen oder zu einem Menschenauflauf kommt (VfSlg 4813/1964), wobei dies nicht erforderlich ist (vgl. VwGH vom 22.03.1983, 2415 und 2425/79). Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (VwGH vom 25.01.1991, 89/10/0021).

Der Spruch eins Bescheides hat in Ansehung des Tatbestandselementes der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung eine Aussage darüber zu enthalten, ob das Verhalten des Täters (einschließlich etwaiger Drohungen) von anderen Personen als der unmittelbar betroffenen wahrgenommen werden konnte und ob bzw. in welcher Weise allenfalls diese Personen darauf reagierten (vgl. VwGH vom 25.11.1991, 91/10/0207, mwN.).

Abgrenzung zu Oö. PolStG:
Zum Wesen einer Ordnungsstörung iSd § 81 Abs. 1 SPG 1991 gehört, dass am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten ist. Soweit die behauptete Störung der öffentlichen Ordnung nach § 81 Abs. 1 SPG 1991 aber in einem Verhalten besteht, das zweifelsfrei ausschließlich als Verletzung des öffentlichen Anstandes zu qualifizieren ist, und sich demgemäß die Störung der öffentlichen Ordnung in dieser Anstandsverletzung erschöpft, fehlt dem Bund die Kompetenz, ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen. Ein derartiges Verhalten unterfällt daher – soweit es nicht überdies zu Störungen der öffentlichen Ordnung geführt hat, die über das durch die bloße Anstandsverletzung zwangsläufig verursachte Aufsehen hinausgeht – ausschließlich den nach landespolizeilichen Vorschriften bestehenden Strafbestimmungen hierüber (vgl. VwGH vom 15.09.2011, 2009/09/0154, mwN.).

Wahrung des öffentlichen Anstandes

Damit eine Anstandsverletzung als „öffentlich“ begangen anzusehen ist, genügt es nach dem Polizeistrafgesetz, dass sie nur von einer Person unmittelbar wahrnehmbar war, wenn die Möglichkeit bestand, dass die Handlung durch diesen einen Zeugen im Hinblick auf den mit der Tat verbundenen Belästigungseffekt auch einer anderen Person bekannt werden würde („Sukzessivöffentlichkeit“; vgl. VwGH vom 18.06.1984, 84/10/0023, mwN.).

Nach der ständigen Rechtsprechung wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Bei der Beurteilung der Verletzung jener Formen des äußeren Verhaltens, die nach Auffassung gesitteter Menschen der Würde des Menschen als sittlicher Person bei jedem Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit entsprechen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl VwSlg 11.077 A /1983; 13.342 A /1990; VwGH 4.9.1995, 94/10/0166).

Bezüglich Abgrenzung zu § 81 Abs. 1 SPG siehe SPG – Öffentliche Ordnung.

Waffenpass

Ausgehend von dieser Rechtslage ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. etwa VwGH vom 21.10.2011, Zl. 2010/03/0058).