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Befangenheit

Zum Vorliegen des Befangenheitsgrundes nach § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG genügen Umstände, die die volle Unbefangenheit zweifelhaft erscheinen lassen können und die eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Befangenheit begründen können. Es genügt somit, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss (auch wenn der Entscheidungsträger tatsächlich unbefangen sein sollte) oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte. Für die Beurteilung, ob eine Befangenheit in diesem Sinne vorliegt, ist maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. E 29. Juli 2015, Ra 2015/07/0034).

Bezüglich Befangenheit von Sachverständigen siehe Sachverständigengutachten.

Zurückverweisung durch das LVwG

Zum in der Beschwerde gestellten Eventualbegehren, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückverweisen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, wonach das Verwaltungsgericht primär in der Sache selbst zu entscheiden hat. Die Anwendbarkeit des § 28 Abs 3 leg cit kommt erst dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 der genannten Bestimmung nicht vorliegen. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung darf nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Sachverständigengutachten

In diesem Zusammenhang sei auch darauf zu verweisen, dass ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden könne; ein solches sei allerdings nicht vorgelegt worden. [aus LVwG-650317 vom 16.06.2015]

Die Behörde hat – im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes – ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Auch haben die Parteien die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. zu allem VwGH vom 26.02.2016, Ro 2014/03/0004, mwN).

Sachverständigengutachten sind wie jedes andere Beweismittel der freien Beweiswürdigung zugänglich. Die Beweiswürdigung unterliegt insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen(vgl. VwGH vom 14.12.2004, 2004/05/0016).

Die bloße Behauptung, ein weiteres Gutachten werde beweisen, dass das erstattete Gutachten eines Amtssachverständigen nicht aufrecht zu erhalten sei, kann nicht als hinreichende Begründung für die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens angesehen werden. (vgl. VwGH vom 19.06.1996, 95/01/0233).

Amtssachverständige sind zwar grundsätzlich gemäß Art. 20 Abs. 1 B-VG in dienstlicher Hinsicht weisungsgebunden. Allein darin kann aber kein Grund für eine Befangenheit oder den Anschein der Befangenheit gesehen werden. Gemäß ständiger Rechtsprechung sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofs sind Amtssachverständige bei der Erstattung ihrer Gutachten ausschließlich der Wahrheit verpflichtet und hinsichtlich des Inhaltes ihrer Gutachten an keine Weisungen gebunden, weil Gutachten den sie erstellenden (Amts-)Sachverständigen persönlich zurechenbar sind (vgl. VfGH 22.06.2002, VfSlg 16567/2002, VwGH vom 03.08.2016, Ro 2016/07/0008).

Die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt also ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab und unterliegt daher auch etwa nicht der Disposition der Parteien (VwGH vom 20.03.1996, 95/03/0235).

Der Amtssachverständige kann vor dem Hintergrund seines eigenen Fachwissens alle auf seinem Fachgebiet vorgelegten Beweise auch in sein Gutachten einbeziehen. Er kann seinem Gutachten auch Unterlagen zu Grunde legen, die nicht von ihm erarbeitet wurden. Es ist nicht unzulässig, wenn ein Amtssachverständiger – nach Überprüfung mit Hilfe seines Fachwissens und vor dem Hintergrund seiner Obliegenheit zur Objektivität und Wahrheitspflicht – Aussagen in einem Privatgutachten als zutreffend wertet und sie in sein Gutachten integriert (VwGH 21.09.2007, 2005/05/0087). Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige durfte daher die von der Antragstellerin ihrem Projekt zu Grunde gelegten Berechnungen von nichtamtlichen Sachverständigen zur Grundlage seines Gutachtens machen (VwGH 04.03.2008, 2006/05/0233).

Zurückziehung eines Antrags

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Entscheidend für die Zulässigkeit der Zurückziehung ist allein, ob ein Antrag noch unerledigt ist und daher zurückgezogen werden kann. Mit der Erlassung eines Bescheids und den damit sofort einhergehenden Rechtswirkungen ist der Antrag als erledigt anzusehen. Nur dann, wenn die materielle Rechtskraft des Bescheids dadurch beseitigt wird, dass dagegen eine -zulässige und fristgerechte -Berufung erhoben wird, ist sowohl der verfahrenseinleitende Antrag als auch der Berufungsantrag offen. Beide Anträge können dann auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheids zurückgezogen werden (VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099).

Eine rechtzeitige Zurückziehung eines Antrages bewirkt das Erlöschen der Entscheidungspflicht sowie bei antragsbedürftigen Bescheiden auch der Entscheidungskompetenz der Behörde, sodass über den Antrag nicht mehr abgesprochen werden darf (VwGH 23.07.2009, 2008/05/0241).

Maßnahmebeschwerde

Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass es zu einer Bescheiderlassung kommt (vgl Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 129a f B-VG Rz 45). Nach der Judikatur des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs muss es sich bei einer mit Beschwerde bekämpfbaren Maßnahme um die Anwendung physischen Zwangs oder die Erteilung eines Befehls mit unverzüglichem Befolgungsanspruch handeln (vgl VfSlg 11.935/1988; VwGH 28.5.1997, 96/13/0032; 16.4.1999, 96/02/0590). Das bedeutet, dass dem Betroffenen bei Nichtbefolgung des Befehls unmittelbar, dh unverzüglich und ohne weiteres Verfahren, eine physische Sanktion droht (vgl VfSlg 10.662/1985). Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl VwGH 28.10.2003, 2001/11/0162M; 29.9.2009, 2008/18/0687).

Begründung

Diese in der Gegenschrift [des LVwG] getätigten Ausführungen sind aber schon deswegen unbeachtlich, weil fehlende Elemente der Begründung eines beim VwGH angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden können (VwGH vom 31.03.2016, Ro 2014/07/0022, betreffend ein Straferkenntnis).

Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung

Eine bloße Neuerlassung der gleichen Norm mit unverändertem Inhalt stellt keine maßgebende Änderung der Rechtslage dar (vgl VwGH 05.10.1993, 93/11/0130; 14.12.1994, 94/03/0067).

Das Landesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung an der im Zeitpunkt ihrer Erlassung maßgeblich Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

Vorweg ist festzuhalten, dass das Landesverwaltungsgericht im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren – soweit keine anderslautende Übergangsbestimmung besteht – seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat (vgl. etwa VwGH 19.5.2015, Ra 2015/05/0017 und 16.12.2015, Ro 2014/03/0083, jeweils mwN), da es nach dem Gesetz nicht darauf ankommt festzustellen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war, sondern eine rechtsgestaltende Erlaubnis erteilt werden soll (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das zu einem naturschutzrechtlichen Beschwerdefall ergangene Erkenntnis des VwGH vom 27.02.1995, 91/10/0089, mHa VwGH vom 18.6.1990, Slg. N.F. Nr. 13.219/A = ZfVB 1991/3/1013).

VwGH vom 24.03.2015, Ro 2014/09/0066: Das Bundesverwaltungsgericht hatte zwar – ebenso wie nach der alten Rechtslage die Rechtsmittelbehörden – im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden (vgl. E VS 4. Mai 1977, VwSlg. 9315 A/1977; E 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076; E 14. Juli 2014, Ra 2014/20/0069). Eine andere Betrachtungsweise wird aber dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Es ist Rsp des VwGH zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, dass es dann, wenn die Auslegung der Verwaltungsvorschriften ergibt, dass eine vor der Erlassung des Berufungsbescheides bzw. Beschlusses oder Erkenntnisses bestandene Rechtslage von Bedeutung ist, nicht auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides ankommt (vgl. E VS 28. November 1983, VwSlg. 11237 A/1983). Ob – in Ermangelung einer Übergangsbestimmung – eine stichtags- bzw. zeitraumbezogene Entscheidung zu erfolgen hat, muss aus der Bestimmung selbst ermittelt werden (vgl. E 19. Februar 1991, VwSlg. 13384 A/1991; E 26. April 2000, 99/05/0239).

Bei der Entscheidung des VwG durch einen Einzelrichter ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung (mündliche Verkündung oder Zustellung) der Entscheidung maßgeblich, nicht jene zum Zeitpunkt der Willensbildung (Unterfertigung). Ändert sich zwischen der Willensbildung und der Zustellung die Rechtslage, wird die Entscheidung rechtswidrig, wenn sie auf der alten Rechtslage beruht (VwGH vom 27.04.2016, Ra 2015/05/0069).

Der VwGH folgt damit der Rsp zu der von den Berufungsbehörden zu beachtenden Rechtslage. Diese unterschied zwischen Einzelorgan und Kollegialbehörden. Während bei Einzelorganen die Bescheiderlassung maßgeblich war (VwGH vom 28.11.1967, 323/66, VwSlg 7227/A ua), war bei Kollegialbehörden der Zeitpunkt der Willensbildung entscheidend (VwGH vom 6.11.2003, 2003/07/0109 ua). Gleiches gilt nunmehr für die VwG.

Fristen beim LVwG

Ein verspäteter Vorlageantrag ist gem § 15 Ab 3 VwGVG grundsätzlich durch die belangte Behörde zurückzuweisen; ggst. hätte die belangte Behörde somit einen Zurückweisungsbescheid betreffend den verspäteten Vorlageantrag ans das BVwG erlassen müssen; erfolgt trotz Verspätung eine Vorlage an das VwG, ist die Frage der Verspätung vom VwG nur mehr als Vorfrage zu prüfen und das jeweilige Verfahren einzustellen (BVwG vom 12.05.2016, W131 2125123-1).

Zustellung

Zur wirksamen Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids wäre es jedoch erforderlich gewesen, an beide Bf die Zustellung je eine Ausfertigung an jeden von ihnen zu verfügen und durchzuführen. Da eine Ausfertigung eines Bescheides nicht für zwei Adressaten bestimmt sein kann, vermochte die formelle Adressierung der Erledigung an beide Bf gegebenenfalls nur für einen von ihnen Wirksamkeit zu entfalten (vgl. VwGH 24.05.1996, Zl. 94/17/0320). […] Insofern scheidet aber eine Heilung des Zustellmangels bezüglich der Zustellung der Sendung an den Zweitbeschwerdeführer aus, da die Sendung schon einem der darin genannten Adressaten zugekommen ist (vgl. VwGH 29.08.1996, Zl. 95/06/0128).

Anwendungsvorrang EU-Recht

Grundsätzlich führt ein Widerspruch einer generellen österreichischen Rechtsvorschrift zu unionsrechtlichen Vorgaben (bloß) zu ihrer — von allen Staatsorgangen incidenter wahrzunehmenden — Unanwendbarkeit (vgl. EuGH 15.7.1964, Rs 6/64, Costa/ENEL; 9.3.1978, Rs 106/77, Simmenthal II), nicht aber zu deren Aufhebung (VfSIg. 15.189/1998).